Hier halten wir Sie in Form eines Blogs über aktuelle Urteile und Entwicklungen in Hinblick auf unsere verschiedenen Fachbereiche auf dem Laufenden. Schwerpunktmäßig kommentieren wir Neuerungen im Arbeitsrecht sowie im Sozialrecht.
Neuer Mindestlohn für Beschäftigte der Fleischindustrie
Erstmalig erhalten auch die rund 81.000 Beschäftigten der Fleischindustrie einen allgemeinverbindlich festgesetzten Mindestlohn. Dieser beträgt ab Augut 2014 brutto 7,75 €, ab dem 01.12.2014 brutto 8,00 € und wird danach in zwei weiteren Schritten im Jahre 2015 und 2016 bis zu brutto 8,75 € angehoben.
Erhöhung des Mindestlohnes für Maler und Lackierer
Der bereits seit längerem allgemeinverbindliche Mindestlohn für Maler und Lackierer wird ab dem 01.08.2014 für ungelernte Arbeitnehmer auf brutto 9,90 € festgesetzt und erhöht sich danach zum 01.05.2015 auf 10,00 €. Gelernte Arbeitnehmer erhalten in den alten Bundesländern (ohne Berlin) ab dem 01.08.2014 brutto 12,50 € .
Mit Teilurteilt vom 21.01.2014 hat das Arbeitsgericht Gelsenkirchen den ehemaligen Arbeitgeber unserer Mandantin zur Offenlegung eingesammelter Trinkgelder auf den Toilettenanlagen des CentrO Oberhausen verurteilt.
Unsere Mandantin hatte einen Arbeitsvertrag als Reinigerin, war zuletzt allerdings nur noch als sogenannte Toilettenaufsicht tätig. Dahinter steckt folgendes Modell: Das CentrO in Oberhausen vergibt einen Reiningungsauftrag an die Reinigungsfirma, u. a. für die Toilettenanlagen des Einkaufszentrums. Die Reinigungsfirma teilt die für die Toilettenanlagen zuständige Belegschaft dann ein in Reinigerinnen und sogenannte „Sitzerinnen“ ein. Das hat seinen Grund darin, dass Reinigerinnen nach dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag einen Anspruch auf Mindestlohn von 9,31 € pro Stunde haben, während unsere Mandantin als „Sitzerin“ lediglich 5,20 € je Stunden erhalten hat. Das CentrO selbst muss den Besuchern die Toilettenanlagen kostenlos zur Verfügung stellen. Eine Benutzungsgebühr darf nicht erhoben werden.
Um trotzdem Einnahmen von Kunden zu erhalten, sind vor den Toilettenanlagen jeweils ein Tisch mit einem Dessertteller aufgestellt, an dem eine „Sitzerin“ postiert ist. Die Aufgaben der „Sitzerin“ sind genau festgelegt. Es gibt eine schriftliche Anordnung, wie die „Sitzerin“ gekleidet sein muss und wie sie sich verhalten muss.
Das alles dient dazu, bei den Kunden des CentrO den Eindruck zu erwecken, an dem Tisch sitze eine „Reinigungsfrau“, die für Sauberkeit auf der Toilette sorge. Tatsächlich hat das Reinigungsunternehmen unserer Mandantin allerdings verboten, Reinigungsaufgaben wahrzunehmen. Das ist verständlich, denn ansonsten hätte unsere Mandantin den Anspruch auf den tariflichen Lohn von 9,31 € gehabt.
Anders als es dem Kunden vorgespiegelt wird, ist das auf dem Teller eingesammelte Geld weder für die Reinigerinnen noch für die „Sitzerinnen“ bestimmt. Vereinnahmt worden ist das Geld bisher vollständig von der Reinigungsfirma.
Unsere Mandantin und wir stehen auf dem Standpunkt, dass das von der Reinigungsfirma vereinnahmte Trinkgeld den Reinigerinnen und „Sitzerinnen“, also dem Reinigungsteam zustehen muss. Da keiner außer der Reinigungsfirma selbst die Höhe der vereinnahmten Trinkgelder genau kennt, haben wir für unsere Mandantin eine Stufenklage erhoben, um zu erreichen, dass das Reinigungsunternehmen zunächst zur Auskunftserteilung über die Höhe der Trinkgelder verurteilt wird. Diesem Antrag hat nunmehr das Arbeitsgericht Gelsenkirchen im Kammertermin vom 21.01.2014 entsprochen und das Reinigungsunternehmen dazu verurteilt, diese Auskunft zu erteilen.
In rechtlicher Hinsicht gibt es dabei durchaus Unsicherheiten. Das Gesetz kennt zwar den Begriff des Trinkgeldes im Einkommensteuergesetz und in § 107 Abs. 3 Gewerbeordnung. Letztere Regelung stellt allerdings nur klar, dass es unzulässig ist, Arbeitnehmern keinen Lohn zu zahlen und sie nur auf die Trinkgelder zu verweisen.
Offenbar ist das Arbeitsgericht unserer Auffassung gefolgt, dass die äußeren Umstände auf den Toilettenanlagen im CentrO dafür sprechen, dass die jeweiligen Nutzer dem Reinigungspersonal das Trinkgeld zukommen lassen wollen und nicht die Vorstellung haben, eine feste Benutzungsgebühr an die Reinigungsfirma zu entrichten.
Wer nicht rechtsschutzversichert ist hat je nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen die Möglichkeit, für den von ihm geführten Rechtsstreit sogenannte Prozesskostenhilfe (kurz: PKH) zu beantragen.
Der Gesetzgeber hat die „Spielregeln“ zur Beantragung der Prozesskostenhilfe zum 01.01.2014 verändert. Tendenziell verschlechtert sich die Situation insbesondere bei der Gewährung von Prozesskostenhilfe gegen Ratenzahlung. Zugunsten der Kläger erhöhen sich aber die Freibeträge.
Wir meinen: Auch die veränderte Gesetzeslage sollte Sie unter gar keinen Umständen davon abhalten, sich anwaltlich beraten und gegebenenfalls vertreten zu lassen. Wir informieren Sie gerne über Einzelheiten der Beantragung von Prozesskostenhilfe und füllen den Antrag gemeinsam mit Ihnen aus.
Dass die Erstellung von Dienstplänen nicht ohne Mitwirkung des Betriebsrates zulässig ist, dürfte für die meisten Betriebsratsmitglieder ein "alter Hut" sein. In vielen Betrieben sind die Spielregeln dazu in einer zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat ausgehandelten Betriebsvereinbarung geregelt. Überwiegend einigt man sich über das Verfahren: Wann muss der Entwurf des Arbeitgebers vorliegen? Wann muss sich der Betriebsrat äußern? Wie sind Meinungsverschiedenenheiten zu klären?
Nicht selten wird dabei geregelt, dass das Schweigen des Betriebsrates zu einem vom Arbeitgeber vorgelegten Entwurf als Zustimmung zu werten ist (schließlich ist dies im Bereich der personellen Mitbestimmung in § 99 BetrVG auch so geregelt). Ebenso häufig verlangen die Betriebsvereinbarungen vom Betriebsrat eine - oft schriftlich abzufassende - Begründung für seine Bedenken oder seinen Widerspruch. betrachtet wird. Und oft geben diese Betriebsvereinbarungen dem Arbeitgeber das Recht, den Dienstplan im Falle der Nichteinigung vorläufig in Kraft zu setzen.
Solchen Regelungen hat nunmehr das Bundesarbeitsgericht in einer Entscheidung vom 9.7.2013 mit dem Aktenzeichen 1 ABR 19/12 eine Absage erteilt. Die Regelungen seien unzulässig und damit unwirksam, weil das Verfahren der Mitbestimmung in § 87 Abs. 2 BetrVG zwingend ausgestaltet sei. Weder könne dem Betriebsrat eine Begründungspflicht noch die zwingende Einhaltung von Fristen zur Stellungnahme auferlegt werden. Auch eine einstweilige Verwendung des Arbeitgeberentwurfes für den Fall der nicht rechtzeitigen Konfliktlösung verstoße gegen das gesetzlich vorgesehene Verfahren. Das soll auch für Eilfälle gelten. Aus der Entscheidung folgt, dass alle Fälle, in denen der Betriebsrat dem Dienstplanentwurf mit Schweigen oder mit Bedenken begegnet, in der bzw. durch die Einigungsstelle entschieden werden müssen.
Die Entscheidung stärkt die Position von Betriebsräten und erschwert gleichzeitig dem Arbeitgeber die Personalplanung. Es bleibt abzuwarten, wie und in welchem Umfang sie auf andere Bereiche der zwingenden Mitbestimmung ausstrahlen wird. Wird es etwa zukünftig in Betriebsverinbarungen etwa nicht mehr möglich sein, dem Arbeitgeber das Recht zur Überstundenanordnung in Eilfälle oder innerhalb bestimmter Kontingente zu übertragen?
Unsere Mandanten, die von einer Kündigung betroffen sind, stellen uns meist sehr ähnliche Fragen. Einige dieser Fragen gehen auf falsche und irrtümliche, wenn auch landläufig verbreitete Auffassungen zurück. Hier aus diesem Grund einige häufig gegebene Antworten rund um das Thema Kündigung und Abfindung.
Welche Fehler bei einer Betriebsratswahl sind noch verzeihlich? Welche Fehler wiegen so schwer, dass die Betriebsratswahl anfechtbar oder sogar nichtig ist?
Mit dieser Frage hat sich das Bundesarbeitsgericht in einer am 12.06.2013 ergangenen Entscheidung befasst. Es ging um die Betriebsratswahl im VW-Werk Hannover (Nutzfahrzeuge).
Bei der Betriebsratswahl Anfang 2010 waren insgesamt 10346 Wahlumschläge abgegeben worden; in der elektronisch geführten Wählerliste wurden jedoch rd. 100 Arbeitnehmer weniger vermerkt. Insgesamt waren fünf Listen zur Wahl angetreten. Rein rechnerisch hätten bereits mehr als 61 Stimmen das Wahlergebnis verändern können. Eine kleinere Liste hatte aus diesem Grund beim Arbeitsgericht beantragt, die Wahl für unwirksam zu erklären. Erst im Prozess wurde eine genaue Überprüfung durchgeführt und als Ursache wurden technische Schwierigkeiten ermittelt. Für das Landesarbeitsgericht Niedersachsen stand nach einer Beweisaufnahme fest, dass die Stimmdifferenz zwischen abgegebenen Wahlumschlägen und registrierten Wählern soweit aufgeklärt war, dass eine Beeinflussung des Wahlergebnisses rechnerisch ausgeschlossen werden könne.
Anders hingegen das Bundesarbeitsgericht, das seine Entscheidung mit § 12 der Wahlordnung zum Betriebsverfassungsgesetz begründete. Danach werfe der Wähler bei der Wahl den Wahlumschlag, in den der Stimmzettel eingelegt ist, in die Wahlurne ein, nachdem die Stimmabgabe in der Wählerliste vermerkt worden ist. Durch diesen Stimmabgabevermerk werde verhindert, dass nicht zur Wahl berechtigte Personen eine Stimme abgeben können oder dass Wahlberechtigte mehrfach wählen. Möglich sei durchaus, diese Wählerliste auch elektronisch zu führen. Die Stimmabgabe dürfe auch nicht auf andere Weise als durch die Vermerke in der Wählerliste festgestellt werden. Wenn sich bei Abschluss der Wahl ergäbe, dass sich in den Wahlurnen mehr Stimmen befänden, als die Wählerliste an abgegebenen Stimmen ausweise, lasse sich der daraus folgende Vorstoß gegen § 12 der Wahlordnung nicht nachträglich heilen, auch nicht durch eine nachträgliche Auswertung von Protokollierungsdateien oder Befragungen von Zeugen. Die Differenz sei so hoch, dass sie das Wahlergebnis beeinflussen konnte.
Für die interessierte Öffentlichkeit hat das Bundesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass zwischenzeitlich getroffene Beschlüsse des Betriebsrates durchaus wirksam blieben. Das hat damit zu tun, dass das Betriebsverfassungsgesetz zwischen der bloßen Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl und ihrer Nichtigkeit unterscheidet. Ausgangspunkt dieser Unterscheidung ist die Schwere des Verstoßes gegen Wahlvorschriften. Weniger schwere Fehler führen lediglich zur Anfechtung der Betriebsratswahl; diese Anfechtung kann nur binnen einer Frist von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses beim Arbeitsgericht erfolgen. Eine Anfechtung einer Betriebsratswahl ist nur dann erfolgreich, wenn der Verstoß gegen Wahlvorschriften zumindest theoretisch zu einem anderen Wahlergebnis führen konnte.
Grobe und wirklich schwere Fehler hingegen führen auch außerhalb der Frist unter Umständen dazu, dass ein Arbeitsgericht die Betriebsratswahl für nichtig erklärt. Im Falle der Nichtigkeit wird so getan, als habe von Anfang an kein Betriebsrat existiert, alle zwischenzeitlich gefassten Beschlüsse und Betriebsvereinbarungen sind gegenstandslos.
Im Falle der Nichtigkeit einer Betriebsratswahl führt der bisherige Betriebsrat übrigens die Geschäfte nicht vorläufig weiter bis ein neuer Betriebsrat gewählt ist; es tritt vielmehr eine zunächst betriebsratslose Zeit ein. Eine solche betriebsratslose Zeit lässt sich nur dadurch verhindern, dass der Betriebsrat mit der Mehrheit seiner Mitglieder rechtzeitig genug seinen Rücktritt erklärt. In diesem Falle ist zwar dann auch eine Neuwahl durchzuführen, der bisherige Betriebsrat führt jedoch vorläufig die Geschäfte weiter.