Hier halten wir Sie in Form eines Blogs über aktuelle Urteile und Entwicklungen in Hinblick auf unsere verschiedenen Fachbereiche auf dem Laufenden. Schwerpunktmäßig kommentieren wir Neuerungen im Arbeitsrecht sowie im Sozialrecht.
Welche Fehler bei einer Betriebsratswahl sind noch verzeihlich? Welche Fehler wiegen so schwer, dass die Betriebsratswahl anfechtbar oder sogar nichtig ist?
Mit dieser Frage hat sich das Bundesarbeitsgericht in einer am 12.06.2013 ergangenen Entscheidung befasst. Es ging um die Betriebsratswahl im VW-Werk Hannover (Nutzfahrzeuge).
Bei der Betriebsratswahl Anfang 2010 waren insgesamt 10346 Wahlumschläge abgegeben worden; in der elektronisch geführten Wählerliste wurden jedoch rd. 100 Arbeitnehmer weniger vermerkt. Insgesamt waren fünf Listen zur Wahl angetreten. Rein rechnerisch hätten bereits mehr als 61 Stimmen das Wahlergebnis verändern können. Eine kleinere Liste hatte aus diesem Grund beim Arbeitsgericht beantragt, die Wahl für unwirksam zu erklären. Erst im Prozess wurde eine genaue Überprüfung durchgeführt und als Ursache wurden technische Schwierigkeiten ermittelt. Für das Landesarbeitsgericht Niedersachsen stand nach einer Beweisaufnahme fest, dass die Stimmdifferenz zwischen abgegebenen Wahlumschlägen und registrierten Wählern soweit aufgeklärt war, dass eine Beeinflussung des Wahlergebnisses rechnerisch ausgeschlossen werden könne.
Anders hingegen das Bundesarbeitsgericht, das seine Entscheidung mit § 12 der Wahlordnung zum Betriebsverfassungsgesetz begründete. Danach werfe der Wähler bei der Wahl den Wahlumschlag, in den der Stimmzettel eingelegt ist, in die Wahlurne ein, nachdem die Stimmabgabe in der Wählerliste vermerkt worden ist. Durch diesen Stimmabgabevermerk werde verhindert, dass nicht zur Wahl berechtigte Personen eine Stimme abgeben können oder dass Wahlberechtigte mehrfach wählen. Möglich sei durchaus, diese Wählerliste auch elektronisch zu führen. Die Stimmabgabe dürfe auch nicht auf andere Weise als durch die Vermerke in der Wählerliste festgestellt werden. Wenn sich bei Abschluss der Wahl ergäbe, dass sich in den Wahlurnen mehr Stimmen befänden, als die Wählerliste an abgegebenen Stimmen ausweise, lasse sich der daraus folgende Vorstoß gegen § 12 der Wahlordnung nicht nachträglich heilen, auch nicht durch eine nachträgliche Auswertung von Protokollierungsdateien oder Befragungen von Zeugen. Die Differenz sei so hoch, dass sie das Wahlergebnis beeinflussen konnte.
Für die interessierte Öffentlichkeit hat das Bundesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass zwischenzeitlich getroffene Beschlüsse des Betriebsrates durchaus wirksam blieben. Das hat damit zu tun, dass das Betriebsverfassungsgesetz zwischen der bloßen Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl und ihrer Nichtigkeit unterscheidet. Ausgangspunkt dieser Unterscheidung ist die Schwere des Verstoßes gegen Wahlvorschriften. Weniger schwere Fehler führen lediglich zur Anfechtung der Betriebsratswahl; diese Anfechtung kann nur binnen einer Frist von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses beim Arbeitsgericht erfolgen. Eine Anfechtung einer Betriebsratswahl ist nur dann erfolgreich, wenn der Verstoß gegen Wahlvorschriften zumindest theoretisch zu einem anderen Wahlergebnis führen konnte.
Grobe und wirklich schwere Fehler hingegen führen auch außerhalb der Frist unter Umständen dazu, dass ein Arbeitsgericht die Betriebsratswahl für nichtig erklärt. Im Falle der Nichtigkeit wird so getan, als habe von Anfang an kein Betriebsrat existiert, alle zwischenzeitlich gefassten Beschlüsse und Betriebsvereinbarungen sind gegenstandslos.
Im Falle der Nichtigkeit einer Betriebsratswahl führt der bisherige Betriebsrat übrigens die Geschäfte nicht vorläufig weiter bis ein neuer Betriebsrat gewählt ist; es tritt vielmehr eine zunächst betriebsratslose Zeit ein. Eine solche betriebsratslose Zeit lässt sich nur dadurch verhindern, dass der Betriebsrat mit der Mehrheit seiner Mitglieder rechtzeitig genug seinen Rücktritt erklärt. In diesem Falle ist zwar dann auch eine Neuwahl durchzuführen, der bisherige Betriebsrat führt jedoch vorläufig die Geschäfte weiter.
Bekanntlich ist der Arbeitgeber verpflichtet, nach Ablauf eines Kalenderjahres dem Arbeitnehmer eine sogenannte Lohnsteuerbescheinigung auszuhändigen, präziser formuliert: Den Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung, denn die jeweiligen Steuerdaten hat der Arbeitgeber dem Finanzamt elektronisch übermittelt. Welche Daten dies im Einzelnen sind, kann in § 41 b Einkommenssteuergesetz nachgelesen werden.
Die Lohnsteuerbescheinigung dokumentiert den Lohnsteuerabzug, wie er tatsächlich vom Arbeitgeber durchgeführt worden ist. Dieser tatsächlich abgeführte Lohnsteuerabzug kann durchaus fehlerhaft sein. Welches Gericht ist nun zuständig, wenn es um die Korrektur einer Lohnsteuerbescheinigung geht, das Arbeitsgericht oder das Finanzgericht? Und kann überhaupt eine Korrektur der Lohnsteuerbescheinigung erstritten werden, wenn diese Bescheinigung lediglich tatsächliche Vorgänge dokumentiert, der Arbeitnehmer aber eigentlich nicht nur eine Korrektur der bloßen Bescheinigung erreichen will, sondern eine andere Versteuerung seines Lohns oder seines Gehalts?
Mit dieser Frage hatte sich das Bundesarbeitsgericht auseinanderzusetzen und hat durch Beschluss vom 07.05.2013 – 10 AZB 8/13 festgestellt, dass dafür nicht die Arbeitsgerichte zuständig sind.
Zugrunde lag der Fall eines Arbeitnehmers, der zum Ende eines Jahres ausgeschieden war und bei dem Streit über die Zahlung der Vergütung des letzten Arbeitsmonats, des Monats Dezember entstanden war. Der Arbeitgeber war zur Zahlung der Vergütung für diesen Monat verurteilt worden, und kam dieser Zahlungsverpflichtung dementsprechend im Jahre 2012 nach. Der Arbeitnehmer war nun der Auffassung, er habe Anspruch darauf, dass diese nachgezahlte Vergütung in die Lohnsteuerbescheinigung des Jahres 2011 aufgenommen werde, während der Arbeitgeber auf das sogenannte Zuflussprinzip im Steuerrecht hinwies und dem Arbeitnehmer eine Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2012 erteilte. Das Bundesarbeitsgericht führte insofern aus, dass es sich bei dem Streit der Parteien nicht um eine arbeitsrechtliche, sondern um eine abgabenrechtliche Streitigkeit handele, die in den Zuständigkeitsbereich der Finanzgerichtsbarkeit falle. Ergänzend wies das Bundesarbeitsgericht unter Berufung auf den Bundesfinanzhof darauf hin, dass die Lohnsteuerbescheinigung keine Bindungswirkung habe und etwaige Fehler beim Lohnsteuerabzug im Rahmen der Einkommenssteuerveranlagung berichtigt werden könnten.
Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 25.04.2013 – 2 AZR 579/12 die Klage eines Mitarbeiters gegen den Caritasverband abgewiesen. Der Mitarbeiter war seit 1992 in einer Kindertagesstätte des Caritasverbandes angestellt und wegen seines Austritts aus der katholische Kirche gekündigt worden.
Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass die Kündigung wirksam sei, da der Mitarbeiter gegen seine arbeitsvertragliche Loyalitätspflicht verstoßen habe. Es sei daher nicht zumutbar ihn weiterzubeschäftigen. Die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Arbeitnehmers müssten in diesem Fall hinter dem Selbsbestimmungsrecht des Arbeitsgebers zurücktreten.
Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 12.03.2013 – 9 AZR 455/11 einem Lehrer Recht gegeben, der die Erstattung eines selbst angeschafften Schulbuchs gefordert hatte. Das Land Niedersachsen als Arbeitgeber stellte dem Lehrer das für den Unterricht erforderliche Schulbuch nicht zur Verfügung. Bereits im Vorjahr hatte der Schulleiter die Überlassung des Schulbuchs abgelehnt.
Der Lehrer erwarb das Buch kurzerhand selbst und verlangte die Erstattung des Kaufpreises. Das Bundesarbeitsgericht entschied, der Lehrer sei ohne das Schulbuch nicht in der Lage ordnungsgemäßen Unterricht zu erteilen. Er habe die Aufwendung als notwendig erachten dürfen. Das Land könne sich der Verpflichtung zum Aufwendungsersatz nicht mit dem Hinweis entziehen, der Kauf des Buchs könne als Werbungskosten steuermindernd geltend gemacht werden.
Die für das Buch aufgewendeten 14,36 Euro müssen dem Lehrer nun erstattet werden.
Mit Urteil des Bundesarbeitsgerichtes vom 26.03.2013 - 1 AZR 813/11 steht nun fest, dass in von Arbeitgebern und Betriebsräten ausgehandelten Sozialplänen vereinbart werden darf, einen zu zahlenden Abfindungsbetrag bei solchen Arbeitnehmern geringer ausfallen zu lassen, die eine vorgezogene Altersrente in Anspruch nehmen können.
Abfindungen in Sozialplänen berechnen sich meist nach dem Bruttoentgelt des Arbeitnehmers, seiner Betriebszugehörigkeit und seines Lebensalters. Der Sozialplan, um den es bei der Entscheidung ging, sah allerdings vor, dass bei sogenannten rentennahen Jahrgängen der Abfindungsbetrag auf einen Betrag gedeckelt werden sollte, der letztendlich nur der Kompensation von Gehaltseinbußen bis zum frühestmöglichen Eintritt in die gesetzliche Altersrente entsprach. Das hielt ein 62-jähriger Kläger für unzulässig; er sah darin eine nicht erlaubte Altersdiskriminierung. Die Klausel bewirkte, dass die „reguläre“ Abfindung von rund 235.000,00 € auf rund 5.000,00 € begrenzt wurde.
Das Bundesarbeitsgericht hielt die Klausel für zulässig und stellte darauf ab, dass eine Sozialplanabfindung zukünftige Nachteile ausgleichen solle, die durch den Verlust des Arbeitsplatzes entstünden. Wegen dieser Überbrückungsfunktion sei es erlaubt, bei rentennahen Arbeitnehmern nur deren wirtschaftliche Nachteile bis zum vorzeitigen Renteneintritt auszugleichen.
Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 13.03.2013 - L 6 AS 623/11 entschieden, dass bezogenes Elterngeld als Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen ist und damit auf das Arbeitslosengeld II anzurechnen ist. Das Landessozialgericht hielt die Anrechnung für verfassungsgemäß. Damit wird Elterngeld (mit Ausnahme einer abzuziehenden Versicherungspauschale) behandelt wie Kindergeld, das ebenfalls als Einkommen zu berücksichtigen ist.