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Mediation
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Aktuelles

Hier halten wir Sie in Form eines Blogs über aktuelle Urteile und Entwicklungen in Hinblick auf unsere verschiedenen Fachbereiche auf dem Laufenden. Schwerpunktmäßig kommentieren wir Neuerungen im Arbeitsrecht sowie im Sozialrecht.

07/11/2014
Jörg Faust

Kündigung bei Alkoholabhängigkeit

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat durch Urteil vom12. August 2014 - 7 Sa 852/14 entschieden, dass eine verhaltensbedingte Kündigung eines alkoholkranken Berufskraftfahrers zumindest nicht ohne weiteres möglich ist.

Was war passiert? Ein Lkw-Fahrer hatte unter Alkoholeinfluss mit 0,64 Promille einen Unfall verursacht, bei dem der Unfallgegner verletzt wurde und größerer Sachschaden entstand. Im Betrieb bestand ein absolutes Alkoholverbot.

Während das Arbeitsgericht zunächst die durch den Arbeitgeber ausgesprochene ordentliche Kündigung wegen der Schwere der Pflichtverletzung ohne vorherigen Ausspruch einer Abmahnung für richtig hielt, korrigierte das Landesarbeitsgericht diese Entscheidung.

Ausschlaggebend war für das Landesarbeitsgericht, dass den Lkw-Fahrer auf Grund seiner Alkoholerkrankung kein Schuldvorwurf zu machen sei; eine verhaltensbedingte Kündigung kam dementsprechend nicht in Betracht.

Aber auch eine personenbedingte Kündigung sei nicht möglich deswegen, weil der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Kündigung ernsthaft zu einer Alkoholtherapie bereit gewesen sei. Bei einer solchen Therapiebereitschaft sei in der Regel vom Arbeitgeber zu erwarten, dass Fehlverhalten abzumahnen und das Arbeitsverhältnis fortzusetzen.

Andere Landesarbeitsgerichte haben in der Vergangenheit durchaus anders entschieden und den einmaligen Verstoß gegen ein bestehendes Alkoholverbot im Betrieb sogar als Grund für eine fristlose Kündigung gewertet, jedenfalls dann, wenn eine konkrete Gefährdung für andere bestanden hat. Einige Stimmen sind durchaus Meinung, dass auch eine bestehende Alkoholkrankheit jedenfalls dann nicht von vorneherein eine fristlose Kündigung ausschließt, wenn der Suchterkrankte mit dem Leben und der Gesundheit seiner Kollegen und Dritter spielt.

Unterhalb der Schwelle einer festgestellten Alkoholabhängigkeit stellt der Alkoholkonsum im Betrieb durchaus einen Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung dar.

Abgesehen von sehr schwerwiegenden und krassen Fällen dürfte jedoch eine Kündigung ohne vorher gehende Abmahnung auf sehr wackeligen Füßen stehen. Im Zweifel sollte jeder alkoholbedingt gekündigte Arbeitnehmer genau prüfen lassen, ob seine Kündigung wirklich rechtmäßig ist.

 

07/11/2014
Jörg Faust

RA Zundel jetzt Fachanwalt für Arbeitsrecht

Wir freuen uns sehr, bekannt geben zu können, dass unser Kollege und Sozius Rechtsanwalt Zundel ab sofort die Bezeichnung Fachanwalt für Arbeitsrecht führt.

Die Fachanwaltsbezeichnung wird von der zuständigen Rechtsanwaltskammer verliehen, wenn in dem entsprechenden Rechtsgebiet besondere theoretische und praktische Erfahrungen nachgewiesen werden. Mit dem Führen der Fachanwaltsbezeichnung geht eine gesetzlich geregelte Fortbildungsverpflichtung einher.

 

24/10/2014
Benjamin Zundel

Kündigung bei HIV-Infektion

Das Bundesarbeitsgericht hatte in seiner Entscheidung vom 19.12.2013 - 6 AZR 190/12 - darüber zu befinden, ob die Kündigung eines Arbeitnehmers, der an einer (bisher) symptomlosen HIV-Infektion leidet, auf Grund einer Diskriminierung unwirksam ist.

Es wird nochmals bestätigt, dass eine Kündigung die einen Arbeitnehmer aus einem der in § 1 des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) genannten Gründen (Rasse, ethnischen Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexuelle Identität) diskriminiert, unwirksam ist. Neben den wegen eines Verstoßes gegen das AGG entstehenden Schadensersatzansprüchen, kann auch die Kündigung selbst wegen einer Diskriminierung angegriffen werden.

Nicht erforderlich ist, dass der Arbeitgeber eine Benachteiligung beabsichtigt. Es reicht aus, wenn eine Anknüpfung der Kündigung an ein Diskriminierungsmerkmal in Betracht kommt. Der Arbeitgeber wird dann nachweisen müssen, dass eine Kündigung nicht diskriminierend war oder die Diskriminierung gerechtfertigt werden kann. Klargestellt wird, dass dies auch für Kündigungen außerhalb der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes gilt.

Das Bundesarbeitsgericht befasst sich ausführlich damit, wann eine Behinderung vorliegt. Es geht davon aus, dass der Begriff sehr weit zu verstehen ist, und eine Behinderung auch durch das „Behindern“ eines Menschen durch seine Umwelt entstehen kann. Dies ist der Fall, wenn die gesellschaftliche Teilhabe des Erkrankten, vorliegend die eines HIV-Infizierten, typischerweise durch Stigmatisierung und soziales Vermeidungsverhalten beeinträchtigt ist.

Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis eines solchen Arbeitnehmers in der gesetzlichen Wartezeit des § 1 KSchG wegen der Erkrankung, ist die Kündigung im Regelfall diskriminierend und damit unwirksam, wenn der Arbeitgeber nicht darlegt, dass er angemessene Vorkehrungen ergriffen hat, die den Einsatz des Arbeitnehmers trotz seiner Behinderung ermöglichen. Das Bundesarbeitsgericht hat die Sache zurück an das Landesarbeitsgericht verwiesen, welches nun aufzuklären hat, ob der Arbeitgeber solche Vorkehrungen ergriffen hat.

Die Argumentation des Bundesarbeitsgerichts kann für andere chronischen Erkrankungen übernommen werden. Die Chancen des Arbeitnehmers, auch außerhalb der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes, sich erfolgreich gegen eine Kündigung zu wehren, Schadensersatzansprüche durchzusetzen oder eine Abfindung auszuhandeln, werden hierdurch verbessert.

01/10/2014
Manfred Stolz

Wann ist ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig?

Oft kann ein Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen Teilbereiche seiner bisherigen Tätigkeit nicht mehr ausüben, Beispiel: Der Kraftfahrer, der keine Ladetätigkeiten mehr ausführen kann; der Chemiearbeiter oder Laborant, der nur mit einzelnen Chemikalien nicht mehr arbeiten kann und ähnliches.
Das Bundesarbeitsgericht hat nun (Urteil vom 09.04.2014 - 10 AZR 637/13) - die Frage für Arbeitnehmer im Schichtdienst entschieden.

Kann ein Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen keinen Nachtdienst mehr verrichten, ist der Arbeitgeber verpflichtet, hierauf bei der Schichteinteilung Rücksicht zu nehmen und den Arbeitnehmer vom Nachtdienst auszunehmen, soweit dies möglich ist.
Die Folge: Der Arbeitnehmer behält seinen Vergütungsanspruch und nicht etwa nur den auf sechs Wochen beschränkten Anspruch auf Entgeltfortzahlung, und der Arbeitgeber kann die Leistungseinschränkung nicht zum Anlass für eine personenbedingte Kündigung z. B. wegen Arbeitsunfähigkeit nehmen.
Die Frage, ob die Herausnahme eines einzelnen Arbeitnehmers aus den Nachtdiensten möglich, zumutbar und angemessen ist, wird sich freilich erst im Rahmen eines Rechtsstreites klären lassen. Im streitigen Fall ging es um eine Mitarbeiterin in einem Krankenhaus, bei der wegen der Vielzahl der Beschäftigten der Arbeitgeber eher flexible ist als in einem kleineren Betrieb.

25/09/2014
Jörg Faust

Keine Altersdiskriminierung durch unterschiedlich lange gesetzliche Kündigungsfristen

Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 18.09.2014 – 6 AZR 636/13 – bestätigt, dass die gesetzlichen Kündigungsfristen in § 622 Abs. 2 S. 1 BGB keine Diskriminierung auf Grund des Lebensalters von Arbeitnehmern darstellen und insoweit auch nicht gegen europäisches Recht verstoßen.

Wie ist die Entscheidung einzuordnen?

Die vom Arbeitgeber einzuhaltenden gesetzlichen Kündigungsfristen bestimmen sich nach § 622 BGB. Danach beträgt die sogenannte Grundkündigungsfrist vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats. Mit zunehmender Betriebszugehörigkeit eines Arbeitnehmers verlängert sich auch die Kündigungsfrist, die der Arbeitgeber einzuhalten hat. Die Staffelung verläuft wie folgt:

Nach zwei Jahren Beschäftigung: ein Monat zum Ende des Kalendermonats
Nach fünf Jahren Beschäftigung: zwei Monate zum Ende des Kalendermonats
Nach acht Jahren Beschäftigung: drei Monate zum Ende des Kalendermonats
Nach zehn Jahren Beschäftigung: vier Monate zum Ende des Kalendermonats
Nach zwölf Jahren Beschäftigung: fünf Monate zum Ende des Kalendermonats
Nach 15 Jahren Beschäftigung: sechs Monate zum Ende des Kalendermonats
Nach 20 Jahren Beschäftigung: sieben Monate zum Ende des Kalendermonats

Die Klägerin, die ansonsten wegen der Betriebsgröße nicht unter das Kündigungsschutzgesetzt fiel, stellte sich auf den Standpunkt, dass die gesetzliche Staffelung der Kündigungsfristen nach Betriebszugehörigkeit ältere Arbeitnehmer begünstige, weil langjährig beschäftigte Arbeitnehmer naturgemäß älter seien; dem gegenüber nachteilige die Regelung die jüngere Arbeitnehmer. Die Klägerin sah darin einen Verstoß gegen europäisches Recht, das auch eine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters verbietet. Letztendlich scheiterte die Klägerin mit diesem Vorbringen in allen drei Instanzen.

Die Praxis kann sich also darauf einstellen, dass (sofern nicht der Europäische Gerichtshof später noch anders entscheiden sollte) die gesetzlichen Kündigungsfristen eine wirksame gesetzliche Regelung sind.

Dass es durchaus möglich ist, dass gesetzliche Kündigungsvorschriften nicht in Einklang mit Europäischen Recht stehen, zeigt eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 19.01.2010. Mit diesem Urteil stellte der Europäische Gerichtshof fest, dass eine im Zusammenhang mit der oben aufgezeigten Staffelung stehende weitere Regelung in § 622 Abs. 1 S. 2 gegen europäisches Recht verstoße und deswegen nicht angewandt werden dürfe. Nach dieser unwirksamen Regelung zählt die Beschäftigungsdauer eines Arbeitnehmers, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres liegt, bei der oben genannten Beschäftigungsdauer nicht mit.

19/09/2014
Manfred Stolz

Frührente mit 63 auch nach zweijähriger Arbeitslosigkeit

Der Gesetzgeber hat ab 01.07.2014 eine abschlagsfreie Frührente ab dem 63. Lebensjahr eingeführt.

Die vor fünf Jahren eingeleitete Anhebung der Regelaltersgrenze von 65 schrittweise auf 67 ist dadurch eingeschränkt worden.

Die neue Vergünstigung gilt allerdings nur befristet und für einen begrenzten Personenkreis.

Ab 01.07.2014 kann abschlagsfrei die Altersrente

• mit Erreichen des 63. Lebensjahres
• nach einer Wartezeit von 45 Jahren
• von vor den 01.01.1964 geborenen Versicherten

beansprucht werden.

Sie betrifft insbesondere die Geburtsjahrgänge 1951 und 1952. Ab 01.01.1953 wird das Rentenzugangsalter für diese Rente für jedes Geburtsjahr um zwei Monate angehoben.

Beispiel: Der in 1953 geborene Versicherte kann die Rente erst mit 63 Jahren und zwei Monaten in Anspruch nehmen, der in 1954 geborene Versicherte erst mit 63 Jahren und vier Monaten usw.

Wegen der Beschränkung auf vor dem 01.01.1964 Geborene handelt es sich somit um eine zeitlich befristete Sonderregelung.

Auf die Wartezeit von 45 Jahren werden auch Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung und Verletztengeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung sowie Arbeitslosengeld angerechnet.

Um einen Anreiz zur Frühpensionierung zu vermeiden, ist die Anrechnung von Arbeitslosengeld nicht vorgesehen für die letzten zwei Jahre vor Rentenbeginn außer bei Insolvenz des Arbeitgebers.

Der Gesetzgeber hat aber eine Lücke gelassen: Eine Frühpensionierung mit dem 63. Lebensjahr nach vorangegangener zweijähriger Arbeitslosigkeit kann auch erreicht werden durch einen Minijob während der zweijährigen Arbeitslosigkeit. Voraussetzung ist lediglich, dass der Versicherte sich zu Beginn des Minijobs für eine Beitragspflicht zur Rentenversicherung entscheidet und 4,9 % des Minijoblohnes in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlt und einen entsprechenden Antrag stellt. Ein Minijob von weniger als 15 Wochenstunden und nicht mehr als 165,00 € monatlicher Vergütung wird nicht auf das Arbeitslosengeld angerechnet.

Versicherte in einem bestehenden Arbeitsverhältnis, die die Voraussetzung zum Erreichen der Rente mit dem 63. Lebensjahr erfüllen, können die Rente auch zu einem späteren Zeitpunkt beantragen und hierdurch ihren Rentenanspruch erhöhen (pro Jahr um etwa 2,5% durch weitere Beitragszahlung und zusätzlich durch einen rentenversicherungsmathematischen Zuschlag von 0,5% pro Monat des Aufschubs; hierdurch erhöht sich die Rente bei zwei Jahren Aufschub um insgesamt 17%).

Arbeitsvertragliche Regelungen, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses „mit Erreichen des 65. Lebensjahres“ oder „der Regelaltersrente“ vorsehen, erfassen nicht den jetzt eingeführten Rentenbezug mit dem 63. Lebensjahr.

Klauseln, die eine automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses „zum Zeitpunkt des frühestmöglichen Rentenbezuges“ vorsehen, sind unwirksam.

Der Arbeitgeber hat deshalb nicht die Möglichkeit, einen Arbeitnehmer vor Erreichen der Altersgrenze für die Regelaltersrente (Geburtsjahrgänge 1949, die in 2014 also das 65. Lebensjahr erreichen, mit 65 Jahren und zwei Monaten, Geburtsjahrgänge 1950 mit 65 Jahre und drei Monaten usw.) gegen ihren Willen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu zwingen.

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