Hier halten wir Sie in Form eines Blogs über aktuelle Urteile und Entwicklungen in Hinblick auf unsere verschiedenen Fachbereiche auf dem Laufenden. Schwerpunktmäßig kommentieren wir Neuerungen im Arbeitsrecht sowie im Sozialrecht.
Häufig stoßen wir bei unseren Mandanten auf unrichtige Vorstellungen, wenn es um Schwerbehinderung und Gleichstellung geht. Deshalb hier in aller Kürze:
Das Gesetz unterscheidet in § 2 Sozialgesetzbuch 9. Buch (kurz: SGB IX) die Behinderung, die Schwerbehinderung und die Gleichstellung.
Schwerbehindert ist sind Menschen, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt. Diejenigen, die über einen Grad der Behinderung von nicht 50, aber wenigstens 30 verfügen, können bei der Arbeitsagentur die sogenannte Gleichstellung beantragen. Diese erhalten sie wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten können.
Mit dieser Gleichstellung erreichen Arbeitnehmer den gleichen besonderen Kündigungsschutz wie schwerbehinderte Arbeitnehmer, d. h. eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses kann nur mit behördlicher Zustimmung (durch das Integrationsamt) erfolgen. Auch können sich Gleichgestellte von Mehrarbeit befreien lassen und haben einen Anspruch auf einen Teilzeitarbeitsplatz. Weiterhin erhalten Gleichgestellte: Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Die Gleichstellung bringt keine Vorteile in Bezug auf
Mit einer in der Praxis nur selten angewendeten Vorschrift des Betriebsverfassungsgesetzes hat sich das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 28.03.2017 – 2 AZR 551/16 – beschäftigt: Normalerweise hat der Betriebsrat bei der Kündigung von Arbeitnehmern eine eher passive Rolle. Bevor der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer kündigen darf, muss er gemäß § 102 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) den Betriebsrat anhören.
Eher selten ist hingegen der Fall des § 104 BetrVG, wonach der Betriebsrat aktiv die Kündigung eines bestimmten Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber verlangen kann. Voraussetzung hierfür ist, dass der Arbeitnehmer sich gesetzeswidrig verhält oder durch grobe Verletzung bestimmter Spielregeln, die näher in § 75 BetrVG geregelt sind, verstößt. Das Gesetz nennt dabei insbesondere rassistische oder fremdenfeindliche Betätigungen des Arbeitnehmers. Weitere Voraussetzung ist dabei, dass der Betriebsfrieden wiederholt ernstlich gestört wird. In Betracht kommen auch neben rassistischen Äußerungen auch Äußerungen bezogen auf die ethnische Herkunft, die Abstammung, die sonstige Herkunft, die Nationalität oder die Weltanschauung der anderen Arbeitnehmer. Auch Äußerungen, die behinderte Arbeitnehmer oder ältere Arbeitnehmer diskriminieren, stellen solche erheblichen Verstöße dar, die den Betriebsrat veranlassen können, den Arbeitgeber aufzufordern den Arbeitnehmer zu entlassen oder zu versetzen.
Das Gesetz sieht dabei vor, dass der Betriebsrat dieses Entlassungs- oder Versetzungsverlangen auch gerichtlich durchsetzen kann. Die Entlassung oder Versetzung lässt sich sogar durch Zwangsgeld erreichen.
Der Presseerklärung des Bundesarbeitsgerichtes ist zu entnehmen, dass im entschiedenen Fall ein Betriebsrat in einem ersten arbeitsgerichtlichen Verfahren erreicht hat, dass das Arbeitsgericht dem Arbeitgeber aufgegeben hat, eine langjährig beschäftigte Sachbearbeiterin zu entlassen. Die zu Grunde liegenden Vorfälle zwischen der Arbeitnehmerin und ihren Arbeitskollegen, die Anlass für das Entlassungsbegehren des Betriebsrates waren, werden in der Presseerklärung nicht genannt. Die Entscheidung war rechtskräftig geworden.
Anschließend sprach der Arbeitgeber die außerordentliche (also fristlose) Kündigung sowie hilfsweise die ordentliche (fristgemäße) Kündigung aus.
Das Bundesarbeitsgericht hat sich mit der Frage zu beschäftigt, ob die vorangegangene Entscheidung im Beschlussverfahren, durch die der Arbeitgeber zur Entlassung der Arbeitnehmerin verpflichtet wird, auch einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB darstellen kann. Die Vorinstanzen und anschließend das Bundesarbeitsgericht haben die Frage verneint und in dem vorangegangenen Beschluss mit der Entlassungsauflage einen Kündigungsgrund im Sinne eines betrieblichen Erfordernisses nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz gesehen. Das Bundesarbeitsgericht führt insoweit aus, dass dem Arbeitgeber gerade nicht die fristlose Entlassung aufgegeben wurde.
Der Leitsatz lautet:
„Ist einem Arbeitgeber auf Antrag des Betriebsrates in einem Verfahren nach § 104 Satz 2 BetrVG rechtskräftig aufgegeben worden, einen Arbeitnehmer zu entlassen, liegt für eine ordentliche Kündigung dieses Arbeitnehmers ein dringendes betriebliches Erfordernis iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG vor.“
Wer sich nicht damit zufrieden geben will, dass die Presseerklärung des Bundesarbeitsgerichtes nicht die Vorwürfe gegenüber der Arbeitnehmerin benennt, findet auf den Seiten der nordrhein-westfälischen Justiz sowohl den am 21.08.2015 ergangenen Beschluss des Arbeitsgerichtes Düsseldorf in dem Beschlussverfahren 11 BV 100/15 als auch die zweitinstanzliche Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Düsseldorf vom 13.06.2016 – 9 Sa 233/16 – in dem Kündigungsschutzverfahren.
Aus dem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, das der Betriebsrat geführt hat, um die Entlassung zu erwirken, geht hervor, dass die Arbeitnehmerin sich wiederholt offen aggressiv und auch tätlich gegenüber Arbeitskollegen gezeigt hatte und Arbeitskollegen wohl auch mehrfach bedroht hatte. Der Betriebsrat selbst stützte sein Entlassungsverlangen darauf, dass Arbeitskollegen vor der Arbeitnehmerin Angst hätten.
Unsere Mandanten, die von einer Kündigung betroffen sind, stellen uns meist sehr ähnliche Fragen. Einige dieser Fragen gehen auf falsche und irrtümliche, wenn auch landläufig verbreitete Auffassungen zurück. Hier aus diesem Grund einige häufig gegebene Antworten rund um das Thema Kündigung und Abfindung.
In einem am 13.12.2016 – 1 ABR 7/15 entschiedenen Beschlussverfahren hat das Bundesarbeitsgericht sich zum Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der Verwendung der Posting-Funktion („Besucher-Beiträge) auf einer Facebook-Seite des Arbeitgebers geäußert.
Die Entscheidung liegt derzeit als Pressemitteilung Nr. 64/16 des Bundesarbeitsgerichtes vor. Aus der Pressemitteilung, dem Tenor des Beschlusses sowie dem vorangegangenen zweitinstanzlichen Beschluss des Landesarbeitsgerichtes Düsseldorf ergibt sich, dass der Betriebsrat zwar nicht generell ein Mitbestimmungsrecht besitzt, wenn der Arbeitgeber eine Facebook-Seite einrichtet. Erlaubt der Arbeitgeber jedoch auf dieser Seite sogenannte Postings, d. h. Einträge von anderen Facebook-Nutzern, so besteht seitens des Betriebsrates ein Mitbestimmungsrecht unter dem Gesichtspunkt der Einführung und Anwendung einer technischen Einrichtung im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).
In dem zu entscheidenden Fall hat der Konzernbetriebsrat der Blutspendedienste des Deutschen Roten Kreuzes gerichtlich vorgetragen, dass über die Facebook-Funktion „Besucher-Beiträge“ andere Facebook-Nutzer die Leistung und das Verhalten einzelner Mitarbeiter beurteilen könnten, was wiederum dem Unternehmen eine Auswertung erlaube.
Das Arbeitsgericht Düsseldorf hatte sogar erstinstanzlich die Arbeitgeberin dazu verpflichtet, die in Rede stehende Facebook-Seite ganz abzumelden. Zweitinstanzlich unterlag der Konzernbetriebsrat dann im vollen Umfang. Das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr dem Unternehmen zwar nicht aufgegeben, die Facebook-Seite insgesamt „abschalten“ zu lassen, wohl aber aufgegeben, es zu unterlassen, den Besuchern der Seite die Nutzung der Funktion „Besucher-Beiträge“ zu ermöglichen, solange nicht die Zustimmung des Konzernbetriebsrates oder ein die Zustimmung ersetzender Beschluss der Einigungsstelle vorliegt.
Das Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) ist beendet. Änderungen des AÜG und des Betriebsverfassungsgesetzes treten zum 1.4.2017 in Kraft.
Insbesondere für Betriebsrätinnen und Betriebsräte haben wir die aus unserer Sicht für die Betriebsratsarbeit wesentlichen Änderungen in einer Synopse gegenübergestellt.
synopse-der-neuregelungen-aueg-betrvg-ab-1-4-2017-fuer-betriebsraete
Vor einiger Zeit hatten wir den pauschalen Schadensersatz von 40 EURO wegen Zahlungsverzugs vorgestellt. Die rechtliche Grundlage findet sich in § 288 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und ist somit keine speziell arbeitsrechtliche Regelung.
Wir hatten in unserem vorangegangenen Artikel beschrieben, dass auch der Arbeitnehmer bei Zahlungsverzug des Arbeitgebers einen pauschalen Schadenersatzanspruch von 40 EURO hat. Der überwiegende Teil der Arbeitsrechtler hat das ebenfalls so gesehen. Es gab aber auch einige Stimmen, die eine solche Verzugsschadenpauschale verneint haben. Deren Argument lautet: § 288 Absatz 5 BGB sieht vor, dass die Pauschale auf anderen Schadensersatz anzurechnen ist, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist. Beispielsweise werden die 40 EURO auf Rechtsanwaltsgebühren angerechnet. Aber genau an dieser Stelle wird es schwierig, denn im Arbeitsrecht gibt es im Gegensatz zum sonstigen Zivilrecht keinen Anspruch gegen den Gegner auf Ersatz von Rechtsverfolgungskosten, also insbesondere Anwaltskosten (genauer gesagt: jedenfalls nicht für außergerichtliche und erstinstanzliche Rechtsverfolgung). Daraus haben einige geschlossen, dass es im Arbeitsrecht auch nicht die Verzugsschadenpauschale von 40 EURO geben könne.
Aufwind hat diese anlehnende Meinung durch ein Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 12.5.2016 - 2 Ca 5416/15 erhalten. Inzwischen gibt es aber zwei gegenteilige Urteile von zwei Landesarbeitsgerichten, nämlich dem LAG Baden-Würtemberg vom 13.10.2016 - 3 Sa 34/16 und dem LAG Köln vom 22. November 2016 - 12 Sa 524/16. Beide waren der Auffassung, dass Arbeitnehmer die 40 EURO Schadensersatz bei Verzug erhalten. Das Landesarbeitsgericht Köln hat allerdings die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Eine Entscheidung dort wird wohl frühstens erst in einem Jahr vorliegen.
Bis zur Klärung durch das Bundesarbeitsgericht sollte der Anspruch immer in Fällen des Lohn- un Gehaltsverzuges erhoben und eingeklagt werden. Die 40 EURO fallen bei jedem Verzug neu an, also für jeden Monatslohn bzw. für jeden Gehalt, das nicht rechtzeitig gezahlt wird.