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Mediation
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16/03/2018

Wiederentdeckt - Gegendarstellung zur Abmahnung in der Betriebsratanhörung

Wenn wir Betriebsräte schulen und das Thema Abmahnung erörtern, weisen wir häufig darauf hin, dass es durchaus sinnvoll sein könne, eine Gegendarstellung an den Arbeitgeber zu senden und sich mit den Abmahnungsgründen auseinanderzusetzen.

Warum kann das sinnvoll sein?

In Betrieben mit einem Betriebsrat hat bekanntlich der Arbeitgeber vor Ausspruch einer außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung den Betriebsrat gem. § 102 BetrVG anzuhören. Viele juristische Aufsätze und einschlägige Kommentare beschreiben sehr genau, wie eine richtige Betriebsratsanhörung auszusehen hat. Denn das Fatale für den Arbeitgeber ist, dass eine nicht ordnungsgemäß durchgeführte Betriebsratsanhörung zur Unwirksamkeit der Kündigung führt und der Arbeitgeber den Kündigungsschutzprozess allein wegen dieser fehlerhaften Betriebsratsanhörung verlieren wird.

Das Bundesarbeitsgericht betont in seinen Entscheidungen regelmäßig, dass der Arbeitgeber die Verpflichtung hat, die Gründe für seine Kündigungsabsicht dem Betriebsrat derart mitzuteilen, dass er dem Betriebsrat eine nähere Umschreibung des für die Kündigung maßgeblichen Sachverhaltes gibt. Die Kennzeichnung des Sachverhaltes müsse einerseits so genau und umfassend sein, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschung in der Lage sei, selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich ein Bild  zu machen. Das Bundesarbeitsgericht und viele juristische Autoren verwenden dabei den für Laien zunächst nur schwer verständlichen Begriff der „subjektiven Determinierung“. Damit ist gemeint, dass der Betriebsrat immer dann ordnungsgemäß angehört worden ist, wenn der Arbeitgeber ihm die aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat. Teilt der Arbeitgeber dem Betriebsrat objektiv kündigungsrechtlich erhebliche Tatsachen nicht mit, weil er die Kündigung darauf nicht stützen will oder weil er sie bei seinem Kündigungsentschluss für unerheblich oder entbehrlich hält, dann ist die Anhörung selbst ordnungsgemäß. Ebenso maßgeblich für die Anhörung des Betriebsrates ist allerdings auch, dass der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat auch entlastende Tatsachen im Anhörungsverfahren mitteilt, insbesondere soweit sie Gegenstand einer Stellungnahme des Arbeitnehmers zu den ihm zu Last gelegten Vorwürfen sind.  Dem Arbeitgeber bekannte entlastende Tatsachen sind sogar noch während eines laufenden Anhörungsverfahrens nachzureichen.

All diese Grundsätze können in einschlägigen Kommentaren zum Kündigungsschutzgesetz und zum Betriebsverfassungsgesetz nachgelesen werden.

Bei unseren Betriebsratsschulungen weisen wir regelmäßig Betriebsräte darauf hin, dass der Arbeitgeber im Rahmen des Anhörungsverfahrens auch die Gegendarstellungen zu Abmahnungen, die der Arbeitnehmer oder dessen Bevollmächtigter an den Arbeitgeber richtet, im Rahmen des Anhörungsverfahrens vorzulegen haben. Seltsamerweise findet sich die dazu einschlägige Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes nicht in den besagten Kommentaren zum Kündigungsschutzgesetz und zum Betriebsverfassungsgesetz, so dass beim jüngsten Kündigungsschutzprozess, den wir für einen Mandanten geführt haben, die Recherche doch nach einer einschlägigen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes aufwendiger war, letztendlich aber zum Erfolg führte.

Wiederentdeckt haben wir insoweit die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 31.08.1998 – 2 AZR 453/88, deren zweiter Leitsatz lautet:

  1. Zur ordnungsgemäßen Anhörung des Personalrates bei einer Kündigungsmaßnahme gehört in der Regel  nicht nur die Information über eine erteilte Abmahnung, sondern auch über eine bereits vorliegende Gegendarstellung des Arbeitnehmers. Der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit kann es dann gebieten, den Personalrat mit einer solchen Gegendarstellung auch Umstände mitzuteilen, die gegen den Ausspruch einer Kündigung sprechen (im Anschluss an BAG Urteil v. 02.11.1983 – 7 AZR 65/82 = AP Nr. 29 zu § 102 BetrVG 1972).

Der Umstand, dass die Entscheidung selbst nicht zu § 102 BetrVG ergangen ist, sondern zu § 77 Abs. 3 des in Schleswig-Holstein geltenden Personalvertretungsgesetzes spielt dabei keine Rolle. Die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichtes gelten in gleicher Weise für § 102 BetrVG.

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Author: Jörg Faust